Der Ursprung des Lebens
Leben in unserem Sonnensystem ist, soweit heute bekannt, einmalig! Viele
Wissenschaftler, die sich mit dem Ursprung des Lebens und Leben in anderen
Welten beschäftigen, gehen davon aus, dass Leben auf unserer Erde nicht
einmalig ist, und irgendwo im Universum noch lebende Organismen existieren,
unter welcher Form und welchen Bedingungen auch immer das sein mag.
Dass Leben auf unserem Planeten erst seit der Erschaffung der Erde im Sinne der
Bibel besteht, glaubt heute, mit Ausnahme einiger religiöser Fanatiker, niemand
mehr, doch vor einigen hundert Jahren war das alles ganz anders. Dass die
ältesten heute bekannten Organismen schon vor 3,8 Milliarden Jahren im Urozean
entstehen konnten, haben Geowissenschaftler vor hundert Jahren auch nicht zu
denken gewagt.
Eigentlich wissen wir über
die Entstehung des Lebens und der ersten sich
vermehrenden Organismen, Blaubakterien (Cyanobakterien) und Blaualgen konkret
auch heute noch nicht viel. Wissenschaftler, die sich damit befassen, erstellen
über Gedankenspiele und Modelle Wahrscheinlichkeitsszenarien, deren Grundlagen
der heutige Wissensstand der Geologie und Biogeologie des Archaikums und
Proterozoikums ist.
Die Entstehung des Lebens setzt voraus, dass sich in der ersten Milliarde Jahren
der Existenz unserer Erde als Planet, als die Erdoberfläche unter dem
Siedepunkt des Wassers abkühlte, eine Protohydrosphäre entwickelt hat, die als
globaler Ozean die Erdoberfläche bedeckte und über der eine sehr giftige
Protoatmosphäre lag. In diese abiotische Welt hagelte es Meteoritenschwärme,
deren Einflüsse auf die sich kontinuierlich verändernden globalen Bedingungen
nicht bekannt sind. Einigen Wissenschaftlern zufolge hatten vor allem
Eis-Meteore einen unermesslichen Einfluß auf die Entwicklung des frühen Ozeans.
So gesehen sind die chemischen Veränderungen und Schwankungen des frühesten
Weltmeeres nicht nur auf die Zufuhr von Gasen magmatischer Herkunft aus dem
Erdinneren zurückzuführen, sondern auch auf die Zufuhr von Materie aus dem
All.
Meteoriteneinschläge - Ursache der ersten organischen
Makromoleküle?
Einige Biologen und Biogeologen nehmen an, dass es den Meteoriteneinschlägen in
die ozeanische Ursuppe zu verdanken ist, dass organische molekulare Verbindungen
von Sauerstoff, Stickstoff, Kohlenstoff und Wasserstoff entstanden sind. Diese
ersten organischen Makromoleküle waren jedoch noch nicht lebensfähig.
Erst nach dem Abklingen des Meteoritenbombardaments ist Festland in größerem
Ausmaß entstanden, was vor rund vier Milliarden Jahren geschah. Auf den
frühesten vulkanischen Inseln kam es verstärkt zur Verwitterung der Gesteine
und ihrer Erosion. Entstehende und sich ständig erweiternde Flußsysteme sorgten
für den Transport der Verwitterungsprodukte, die sowohl in flache als auch
tiefe Bereiche des Weltmeeres und in mehr oder weniger tiefe Senken auf den
entstehenden Kontinenten verfrachtet und abgelagert wurden.
Nicht viel älter als die ersten organischen Verbindungen sind heute noch
erhaltene Minerale und Gesteine. Das höchste an einem Mineral, einem Zirkon,
bestimmte und als gesichert geltende Alter ist mit 4,2 Milliarden Jahren
datiert, doch "nur" 3,96 Milliarden Jahre alt ist das älteste bekannte
Sedimentgestein, ein Gneis. Beide stammen aus einer Formation, die an der
Nordostküste Kanadas und der Westküste Grönlands ansteht. Zu den ältesten und
sicher datierten Gesteinen gehören auch die 3,8 Milliarden Jahre alten
gebänderten Eisenquarzite von Isua im Südwesten Grönlands. Die dunklen Bänder
dieser BIF's (Banded
Iron Formations) sind schwarz und nicht rot wie die der jüngeren Eisen-Bänder-Erze.
Dieser Farbunterschied ist ein Hinweis, dass diese kohligen Eisenoxid-Silika-Gesteine
in sogenannten "Sauerstoff - Senken" abgelagert worden sind, d. h. in einem
Sauerstoffreichen oder -armen Milieu.
Diese grönländisch - kanadischen Sedimentgesteine enthalten Strukturen, deren
Kohlenstoff - Isotopen - Verhältnisse darauf hinweisen, dass vor knapp vier
Milliarden Jahren organische Formen auf der Erde existiert haben. Die
wichtigsten chemischen Elemente, die diese, noch ohne echten Zellkern, jedoch
mit Zellwänden ausgestatteten Organismen (Prokaryoten) aufbauten, sind die
Grundelemente des Lebens: Sauerstoff (O), Wasserstoff (H), Stickstoff (N) und
Kohlenstoff (C). In geringeren Mengen kommen noch Phosphor, Kalzium, Eisen,
Magnesium, Kalium, Natrium, Schwefel, Mangan, Kupfer, Kobalt und Zink vor, und
in sehr geringen Mengen noch einige weitere lebenswichtige Elemente.
Betrachten wir diese Konzentration der lebenswichtigsten Elemente, wird
deutlich, dass sie zu den häufigsten der Erdkruste gehören und eben diese
Elemente auch die wichtigsten Nährstoffe aller Lebewesen sind, einschließlich
der heutigen.
Die Frage, ob der erste Schritt zur Bildung organischer Strukturen durch
Meteoriteneinschläge ausgelöst oder begünstigt wurde, oder durch hohe
Einstrahlung ultravioletten Lichts, das ungehindert durch die primitive
Atmosphäre in den schwach salzigen Ozean gelangte, ist noch nicht beantwortet.
Einigen Wissenschaftlern zufolge hat das Leben seinen Ursprung in der Tiefe des
Ozeans, um sogenannte "Schwarze Raucher", d. h. im Umfeld von heißen, an
Metallen und Schwefelwasserstoffen reichen Quellen. Dort sollen aus noch nicht
bekannten Gründen organische Verbindungen entstanden sein.
Die erste Nahrung - verwitterte Gesteine
Fakt ist, dass die ältesten Organismen, Blaubakterien (Cyanobacteria), früher
auch Blaualgen (Cyanophyceen) genannt, zu den Prokaryoten gehören, also zu
Organismen ohne echten Zellkern, und dass die Entwicklung von diesem Stadium des
Lebens bis hin zu lebenden Einzellern mit Zellkern und Vermehrung durch
Zellteilung mehrere hundert Millionen Jahre dauerte und mit der
Weiterentwicklung des Festlandes einher ging, vor allem aber mit der
Verwitterungsrate der kontinentalen Gesteine, die die Anlieferung der
elementaren Nährstoffe in das aquatische Milieu garantierte und somit das
Überleben der ältesten primitiven Organismen. Die ausreichende Zulieferung von
Nährstoffen führte nicht nur zu einer quantitativen Vermehrung der
existierenden Organismen, sondern auch zur Entstehung neuer Formen und neuer
Arten.
Sauerstoff - hochgiftig für die ersten Organismen
Die ersten Organismen, allesamt Bakterien, verarbeiteten die primitive Nahrung
über Gärungsprozesse zu Substanzen, denen sie dann die zum Leben notwendige
Energie entzogen. Dabei wurde ein Teil der aufgenommenen Elemente in
unterschiedlichster Form wieder freigesetzt, darunter auch Sauerstoff, der zu
jener Zeit in Mineralien und Gesteinen in großen Mengen gebunden war, im Wasser
gelöst und in der primitiven Atmosphäre jedoch nur in Spuren vorkam oder
fehlte. Interessanterweise war es der von den ersten Lebensformen freigesetzte
"giftige" Sauerstoff, der den primären Prokaryoten zum Verhängnis wurde.
Dem primären, auf Gärungsprozessen basierenden Stoffwechsel folgte eine neue
Form der Umwandlung der Nahrung in Energie, die Zellatmung, wobei dieser
Prozeß, die Photosynthese, bis heute die wichtigste Form der Freisetzung von
Sauerstoff in der Biosphäre ist.
Ein Beleg der Sauerstoffanreicherung in der Hydro- und Atmosphäre sind die bis
zu 2,6 Milliarden Jahre alten Rotsedimente, die durch Oxidation von Mineralien
zur Bildung neuer Oxide und sauerstoffreicher Silikate führte. Die erstmals vor
rund 2,8 Milliarden Jahren auftretenden Blaubakterien wurden nun gezwungen,
sich der Sauerstoffanreicherung im Meerwasser anzupassen oder für immer zu
verschwinden. Dass mindestens ein Teil der damals existierenden Formen sich den
neuen Bedingungen durch Mutationen oder kontinuierlicher Entwicklung angepasst
haben, belegen fossile Mikroorganismen - Population, Heterozysten, die in der
zwei Milliarden Jahre alten Gunflint-Formation (Obere Seen Region, USA /
Kanada) erstmals gefunden wurden.
Doch bis es soweit war, dass sauerstoffatmende Organismen entstehen konnten, die
sich durch Teilung des Zellkerns vermehrten, mußte ein langer Weg zurückgelegt
werden. Dieser Weg wurde und wird von einer kleinen, internationalen Gruppe von
Wissenschaftlern durch immer neue Funde und immer besseren Untersuchungsmethoden
und Techniken nachgezeichnet.
Den ersten, wahrscheinlich kugeligen- und blasenförmigen Blaubakterien folgten
sehr kleine, faden- und stäbchenförmige, aneinandergereihte und einfach
strukturierte Zellen, die ihr Überleben einer geringen Sauerstofftoleranz
verdanken.
Als die ersten organischen Verbindungen in der ozeanischen Ursuppe entstanden,
fehlte in der sich entwickelnden Atmosphäre freier Sauerstoff vollständig oder
war nur in Spuren vorhanden. Es gilt als gesichert, dass chemische Reaktionen,
die zur Entstehung organischer Makromoleküle geführt haben, im Beisein größerer
Mengen von freiem Sauerstoff nicht möglich gewesen wären. Auch die ersten
Organismen, die Blaubakterien, hätten im Beisein von Sauerstoff nicht überlebt,
denn Ihnen fehlten die enzymatischen Schutzeinrichtungen, die sie vor dem
freien, für sie giftigen Oxigen geschützt hätten. Biochemische, geochemische
und paläomikrobiologische Erkenntnisse belegen, dass erst zwei Milliarden Jahre
nach der Entstehung der Erde die Konzentration des für uns heute so wichtigen
Elements in der Atmosphäre und der Hydrosphäre nur allmählich anstieg und seine
Freisetzung erst vor 2,8 / 2,6 Milliarden Jahren eingesetzt hat, was durch die
verstärkte Bildung von Rotsedimenten und den gebänderten Eisenerzen belegt
ist. Dabei spielte auch die Bindung des Sauerstoffs an dreiwertigem Eisen eine
große Rolle und die daran geknüpfte Umwandlung des Magnetits zu Hämatit. Nur so
ist das Alter der weltweit vorkommenden BIF - Lagerstätten, 2,6 bis 1,6
Milliarden Jahre, zu erklären, wobei in den letzten 400 Millionen Jahren dieser
Zeit die Ablagerungen dieser Art von Eisenerzen stark
zurückgegangen sind. Daraus resultiert, dass auch die Entwicklung von
Sauerstoff freisetzenden Procaryoten zu Sauerstoff atmenden Eukaryoten in diese
Zeit fällt. Sicher ist, dass dieser Prozeß nur langsam vor sich ging, und bis er
abgeschlossen war, rund zwei Milliarden Jahre vergangen sind (2,6 - 0,65
Milliarden Jahre vor heute).
Stromatolithe - die ältesten fossilen Organismen
Es kann nun mit Sicherheit gesagt werden, dass die ältesten, 3,5 Milliarden Jahre
alten Stromatolithstrukturen der Warrawoona Gruppe, West-Australien und die
ähnlichen gleichalten Strukturen aus der Onverwacht Gruppe, im Osten
Transvaals, Südafrika, fossile Organismen sind, die sehr früh durch kalkige,
dolomitische oder kieselige Reaktionen versteinert wurden, und deren Erhalt über
Milliarden Jahre den überlagernden Sedimenten in tektonisch ruhigen Gebieten
unserer Erde zu verdanken ist.
Die frühen Organismen waren autotrophe Selbsternährer, d. h. sie produzierten
aus anorganischen Stoffen organische Substanzen, denen sie dann die notwendige
Energie zum Leben entnahmen. So auch die älteren Arten der Stromatolithe, aus
denen sich dank der Verbesserung der Nahrungsumsetzung neue Stromatolith -
Gesellschaften, wie die der 2,8 Milliarden Jahre alten Fortescue Gruppe,
Hamerley Basin (West - Australien) und die der Ventersdorp Formation, T'Knipp
Hills (Südafrika) entwickelt haben, und an deren Aufbau mehrere Arten beteiligt
waren.
Im ausklingenden Archaikum, vor rund 2,5 Milliarden Jahren, waren Procaryoten im
weltweiten aquatischen Lebensraum schon stark verbreitet, sowohl im marinen,
mit schwach salzigem Wasser, als auch im lakustrinen und fluviatilen
Süßwasser-Milieu. In diese Zeit fällt auch der Beginn der ständig steigenden
Artenvielfalt. Welchen Weg die Natur gegangen ist, um aus dem Sauerstoff
abscheidenden Prokaryoten Sauerstoff atmende Eukaryoten und aus diesen
beständige Vielzeller hervorzubringen, ist noch unklar. Ein Szenario wäre, dass
einzellige Eukaryoten zu "Räubern" wurden, andere Zellen "fraßen" und sich so
zu Zellorganellen - Mitochondrien, Lysosomen und Chloroplasten entwickelt
haben. Dabei kam es auch zu einer beträchtlichen Vergrößerung der Zellen. Nicht
auszuschließen ist, dass gleichzeitig auch noch nicht bekannte Prozesse
abgelaufen sind, die wesentlich zur Entstehung des eukaryotischen Zellkerns
geführt haben.
Erste Fortpflanzung - vor 2,5 Milliarden Jahren
Bis dieses Teilstück auf der Straße des Lebens zurückgelegt wurde und die
Existenz der Eukaryotenzellen als stabile Organismen Fortpflanzung
gesichert war und diese primitiven Lebensformen die Weltmeere in
genügend großer Zahl, um zu überleben, bevölkert haben, sind rund 500 Millionen
Jahre vergangen (2,5 - 2 Milliarden Jahre vor heute). In den folgenden 600
Millionen Jahren (2,0 - 1,4 Milliarden Jahre vor heute) tritt die
Weiterentwicklung des Lebens noch sehr undeutlich aus dem Nebel der
Vergangenheit hervor. Es kann jedoch mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass es in dieser Zeit zur Entwicklung der
ersten eukaryotischen Mikroorganismen, Grün- und Rotalgen, kam. Diese setzten
nun biologische Prozesse in Gang, die den Weg zur Entstehung und
Weiterentwicklung von vielzelligen, höher entwickelten Pflanzen und Tieren erst
möglich gemacht haben.
Es dauerte 850 Millionen Jahre (1,4 - 0,65 Milliarden Jahre vor heute), bis das
Tor zum heutigen Reich der Pflanzen- und Tierwelt ganz aufgestoßen worden ist
und sich im Vorhof des modernen Lebens die Ediacara - Organismen entwickelt
haben. Und es dauerte nochmals 650 Millionen Jahre Evolution, bis der Homo
sapiens, der Mensch, die höchste Stufe der Lebensleiter erklommen hat.
Alfred K. Schuster
Literaturhinweise
- E. Kalkowsky, (1908)
- Oolith und Stromatolith im norddeutschen Buntsandstein.
Zeitschrift der Deutsch. Geol. Gesell., 60; 68 - 125; Berlin.
- J. William Schopf (Herausgeber) und 21 weitere Autoren, (1983)
- Earth's Earliest
Biosphere. Its Origin and Evolution. Princeton University Press, Princton, New
Jersey. (Detaillierte Literaturhinweise)
- C. Preston, (1987)
- Die Biosphäre. In Spektrum der Wissenschaften. Die Dynamik der Erde,
S.156 - 167, Heidelberg.

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